Veröffentlicht am 2015-03-14 In Franziskus - Initiativen und Gesten

Petrus, genannt Franziskus

José Luis Restán/PaginasDigital.es.

In diesen Tagen vor dem zweiten Jahrestag der Wahl von Jorge Bergoglio als Papst Franziskus fühlte ich mich etwas erschöpft und verloren inmitten all der Analysen, die auf ein vorgefasstes Reformprogramm  zu schließen vorgeben einerseits und andererseits nicht wenig Argwohn und Irritation, die sich fast schon zu einer Art passivem Widerstand formiert haben. Sicherlich ist mitten dazwischen das gute Volk Gottes, das sich schon immer in einer unmittelbaren Vertrautheit mit dem Nachfolger Petri versteht und fühlt, wie auch immer er aussehen mag. Damit war ich beschäftigt, als ich den wunderschönen Text lesen konnte, mit dem der Generalabt der Zisterzienser, Pater Mauro Lepori, sein Buch „Simon, genannt Petrus“, kommentiert.

Im Grunde, so sagt Abt Lepori, „ist das, was uns bewegen soll, auf den Papst zu schauen, zu hören und ihm zu folgen, wesentlich das Geheimnis der Liebe zwischen Christus und Petrus, den Jesus eingesetzt hat als Realität, die uns auf die Weide führt, und hütet und auf dem Weg des Lebens leitet.“ Und weiter drückt er mit großer Schärfe etwas aus, das mir immer wieder durch den Sinn geht, wenn ich manche Kollegen lese oder auch gewisse Verantwortungsträger der Kirche: „Wenn wir das aus den Augen verlieren, dann wird der Papst zu einer reinen öffentlichen Autorität wie so viele andere, und alles hängt davon ab, was er sagt und was er nicht sagt, was er tut und was er nicht tut, was er denkt und was er nicht denkt. Oder vor allem von dem, was wir denken, was er sagt und nicht sagt, was er tut und nicht tut, was er denkt und nicht denkt …“

Der Zisterzienser-Abt erkundet die tiefe Bedeutung des Geheimnisses dieses Petrus, des rauen Fischers und Angebers, dessen Grenzen immer offen auf der Hand liegen, und denn Jesus nichtsdestotrotz erwählt hat zum Haupt seiner Kirche „im Herausgehen“. Wir könnten sagen, dass er ihn gegen alle Widerstände, gegen jegliche Klugheit und menschliche Berechnung erwählt hat. Und mit dieser Wahl gestaltet er eine Beziehung, die als Felsengrund, als feste und unzerstörbare Stütze die Geschichte der Kirche tragen wird. Pater Mauro taucht tief ein in die Bedeutung der Beziehung von Petrus mit Jesus und benutzt dazu den Blick des heiligen Johannes, des Lieblingsjüngers, und bietet damit einen faszinierenden Kontrapunkt.

Er erläutert, dass Johannes in diesem Buch gegenwärtig ist „als Blick auf Petrus…, als derjenige, der letzten und tiefsten Anweisung Christi für das Leben der Nachfolge der Lieblingsjünger gehorchte: der, Petrus zu folgen, weiter Petrus zu folgen, der mit Jesus geht, der mit Jesus spricht, der Jesus liebt. Er macht dies etwa fest an der Szene, in der beide Apostel zum leeren Grab laufen; Johannes, jung, kommt als erster an, doch wir wissen, dass er nicht hineingegangen ist, bis Petrus es vor ihm tat. Er hätte hineingehen können, so Dom Mauro, und es wäre auch verständlich gewesen aus Ergriffenheit und Liebe, aber er tat es nicht. In der Gestalt des Petrus sind die Besten, die am meisten für die Mission Bereiten, die Reinsten in der Nachfolge Jesu vertreten. Doch Johannes ließ sich nicht „von der Tatsache beeinflussen, dass er in vielerlei Hinsicht Petrus überlegen war; er versteht und liebt Jesus mehr als Petrus, denn er hat ihn nicht verleugnet; er stand am Fuß des Kreuzes, er sah Jesus sterben, er sah seine durchbohrte Seite.“ Es ist seltsam, Johannes kommt immer vor und besser als Petrus an, doch am Ende des Evangeliums sehen wir ihn – in ehrfürchtigem Abstand – Jesus folgen, der mit Petrus geht. Und da ist es so (und wird es immer so sein), dass „Petrus unmittelbar von Jesus geführt geht, zusammen mit Jesus den Weg sieht und die Richtung, und alles, was er weiß, sagt und sagen wird, direkt vom Auferstandenen nimmt, der zu ihm spricht.“

Das, so sagt der Generalabt der Zisterzienser, ist das petrinische Mysterium, das die Kirche seit 2000 leitet. Und er durchläuft mit Staunen die verschiedenen Temperamente und Muster des Menschseins, in denen sich das Petrusmysterium im Laufe der Jahrhunderte der Kirchengeschichte verkörpert hat. „Man hat den Eindruck, dass es dem Heiligen Geist gefällt, von einem Extrem zum anderen zu springen, von einem Pius XII zu einem Johannes XXIII, von einem Benedikt XVI zu einem Franziskus. Was für ein Gegensatz! Doch meiner Meinung nach macht er das nur, um uns zu helfen, uns auf das Wesentliche zu stützen, das, was das Wesentliche auch beim Ersten, bei Petrus, war: die objektive Gewissheit, einem folgen zu können, dem Christus seine Zuneigung versichert, sodass wir, indem wir diesem Menschen folgen, sicher sein dürfen, dem Auferstandenen zu folgen.“

Dom Lepori stellt eine entscheidende Frage: „Was hat uns an den letzten Päpsten bewegt und fasziniert?“ Vielleicht ihre Lehre, ihre Initiativen, ihre pastorale Liebe, vielleicht ihre Regierungsentscheidungen… Oder vielleicht hat den oder jenen, je nachdem, eines davon befremdet, sogar empört. Doch im Grunde ist die einzige Faszination, die gültig ist, bleibt, uns zu leben hilft, „seine Beziehung zum Herrn, sein ‚Ja, ich liebe dich‘ zu dem, den wir lieben wollen, zu dem, der mitten unter uns geht und dem wir folgen wollen.“

Der Papst ist Autorität genau in der Kraft dieser Beziehung der Liebe die im Gespräch mit dem Auferstandenen am Ufer des Sees besiegelt wurde. „Vielleicht verstehen wir nicht, was Petrus sagt und tut, wie wir nicht wissen, ob Johannes an jenem Morgen gehört hat, was Jesus und Petrus einander sagten, doch was wir wissen, ist, dass Christus und Petrus einander lieben für uns, Freunde sind, sich mögen, gemeinsam gehen, um uns voraus den sicheren Weg des wahren Lebens zu zeigen.“

Vor einigen Wochen habe ich Franziskus von Angesicht zu Angesicht auf dem Petersplatz seine eigene Geschichte von jenem Dialog Jesu mit Petrus nach der Auferstehung erzählen hören können. „Jenes Ja war nicht das Ergebnis einer Willenskraft, kam nicht nur aus der Entscheidung des Mannes Simon: es kam vor allem aus der Gnade, es war jenes „Zuerstsein“, jenes Vorhersein der Gnade… Nur wer von der Zärtlichkeit der Barmherzigkeit liebkost worden ist, kennt wahrhaft den Herrn. Der bevorzugte Ort der Begegnung ist die Liebkosung der Barmherzigkeit Jesu gegenüber meiner Sünde. Darum habt ihr von mir öfter schon gehört, dass der bevorzugte Ort der Begegnung mit Jesus Christus meine Sünde ist.“

Es ist sicher, dass der Petrus, der an jenem Morgen Jesus folgte, und dem Johannes folgte, kein menschlich perfekter Petrus war, und wir können eine ganze Liste von Momenten des Zögerns, der Trägheit und selbst der Feigheit aufstellen, die die Apostelgeschichte uns nicht ersparen wollte. Doch wie Abt Mauro Lepori sagt, „auch das lebt Petrus wie immer auf dem Weg der Sicherheit seiner Beziehung zu Christus, und Jesus wird ihm niemals das Charisma des Vorhergehens vor allen Jüngern in der Gemeinschaft der Wahrheit und der Liebe mit dem Auferstandenen wegnehmen.“ Darum verstehe ich mehr oder weniger die letzten Worte, die ich Franziskus am vergangenen Samstag habe sagen hören, und die viel mehr sind als eine Effekthascherei: „Bitte, vergesst nicht, für mich zu beten.“

Von Herzen gern, Heiliger Vater.

 

Quelle: Paginas Digital.es
Mit freundlicher Erlaubnis der Herausgeber zu Veröffentlichung und Übersetzung.

Der Autor ist ein bekannter Journalist , Communio e Liberazione (CL).


Original: Spanisch. Übersetzung: M.Fischer/schoenstatt.org

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