Veröffentlicht am 2015-03-13 In Franziskus - Botschaft

Auch das Alter hat Wert und Mission

FRANZISKUS IN ROM, vis.

Wert und Bedeutung der Großeltern in der Familie waren Thema der Katechese von Papst Franziskus bei der Generalaudienz am Mittwoch, 11. März, auf dem Petersplatz. Papst Franziskus sagte, er identifiziere sich mit den alten Menschen, schließlich gehöre auch er zur älteren Generation. „Als ich auf den Philippinen war“, meinte er scherzend, „da haben sie mich Lolo Kiko genannt, das heißt, Opa Franziskus“. Auch wenn die Gesellschaft dazu tendiere, die älteren Menschen wegzuwerfen, tue der Herr dies nicht, im Gegenteil: er ruft in jedem Alter, in jedem Lebensabschnitt in seine Nachfolge, denn auch das Alter habe „Gnade und Mission, eine echte Berufung.“ – “ Wir brauchen betende alte Menschen, da uns das Alter gerade dazu gegeben ist. Das Gebet alter Menschen ist von großer Schönheit. Wir können dem Herrn für die empfangenen Wohltaten danken und die Leere der uns umgebenden Undankbarkeit füllen. Wir können für die Erwartungen der neuen Generationen Fürsprache einlegen und dem Gedächtnis und den Opfern der vergangenen Würde verleihen. Wir können junge und ehrgeizige Menschen daran erinnern, dass in einem Leben ohne Liebe Trockenheit herrscht. Den von Angst erfüllten jungen Menschen können wir sagen, dass die Angst vor der Zukunft überwunden werden kann. Den zu selbstverliebten jungen Menschen können wir sagen, dass Geben glücklicher macht als Nehmen. Die Großväter und Großmütter bilden den ständigen Choral in einem großen geistlichen Heiligtum, in dem das Bittgebet und der Lobgesang die auf dem Feld des Lebens arbeitende und kämpfende Gemeinschaft stützt.“

Die Familie – 7. Die Großeltern (II)

Liebe Brüder und Schwestern!

Die heutige Katechese bildet den zweiten Teil unserer Betrachtungen zu den Großeltern unter Berücksichtigung des Wertes und der Bedeutung ihrer Rolle in der Familie. Dabei spreche ich aus der Perspektive dieser Menschen, denn auch ich zähle zu dieser Altersgruppe. Bei meinem Besuch der Philippinen begrüßten mich die Einwohner mit den Worten: „Lolo Kiko“, was so viel bedeutet wie Großvater Franziskus. „Lolo Kilo“, das sagten sie! Zunächst gilt es, Folgendes zu betonen: Es ist wahr, dass die Gesellschaft zur Aussonderung neigt, aber nicht der Herr. Der Herr sondert nie aus. Er ruft uns dazu auf, ihm in jedem Lebensalter nachzufolgen, und auch dem Alter wohnen eine Gnade und eine Sendung inne, eine wahre Berufung des Herrn. Das Alter ist eine Berufung. Es ist noch nicht an der Zeit, „die Ruder einzuziehen“.  Es besteht kein Zweifel daran, dass sich dieser Lebensabschnitt von den vorangegangenen unterscheidet. Gewissermaßen müssen wir ihn uns auch „erfinden“, denn unsere Gesellschaften sind in spiritueller und moralischer Hinsicht nicht dazu bereit, dieser Lebensphase ihren vollen Wert zuzuerkennen. So entsprach es früher nicht der Norm, Zeit zur Verfügung zu haben; heute ist dies viel mehr der Fall. Auch für die christliche Spiritualität handelte es sich um ein unvorhergesehenes Ereignis und die Herausforderung besteht darin, eine Spiritualität der älteren Menschen zu skizzieren. Gott sei Dank fehlt es jedoch nicht an Zeugnissen heiliger älterer Männer und Frauen!

Sehr beeindruckt hat mich der „Internationale Tag der älteren Menschen“, den wir im vergangenen Jahr hier auf einem vollen Petersplatz begangen haben. Ich hörte den Geschichten älterer Menschen zu, die sich für andere hingeben, und auch von verheirateten Paaren, die sagten: „Wir feiern unserem 50. Hochzeitstag, unseren 60. Hochzeitstag“. Es ist wichtig, dies den jungen Menschen vor Augen zu führen, die schnell ermüden; das von älteren Menschen abgegebene Zeugnis der Treue ist wichtig. Hier auf diesem Platz waren sie zahlreich erschienen. Diese Überlegung ist sowohl im kirchlichen als auch zivilen Bereich fortzusetzen. Das Evangelium zeigt uns diesbezüglich ein berührendes und zugleich ermutigendes Bild. Es handelt sich um das Bild von Simon und Anna, die uns im Lukasevangelium in den Berichten über die Kindheit Jesu begegnen.  Sie waren gewiss betagt, der „alte“ Simon und die 84-jährige „Prophetin“ Anna, die ihr Alter nicht geheim zu halten suchte. Laut dem Evangelium erwarteten sie seit vielen Jahren mit großer Treue Tag für Tag die Ankunft Gottes. Sie wollten diesen Tag unbedingt erleben, die Zeichen und den Beginn erkennen. Vielleicht hatten sie sich auch gewissermaßen schon damit abgefunden, zuvor zu sterben. Von diesem langen Warten war jedoch ihr ganzes Leben eingenommen; sie hatten keine wichtigere Aufgabe als die Erwartung des Herrn und das Gebet. Als Maria und Josef den Tempel erreichten, um gemäß den Vorschriften des Gesetzes zu handeln,  eilten Simon und Anna vom Heiligen Geist beseelt rasch herbei (vgl. Lk 2,27). Die Last des Alters und der Erwartung verschwand augenblicklich. Sie erkannten das Kind an und entdeckten eine neue Kraft für eine neue Aufgabe: Dank und Zeugnis für dieses Zeichen Gottes abzulegen. Simon stimmte eine wunderbare Jubelhymne an (vgl. Lk 2,29-32) – in diesem Moment wirkte er als Poet – und Anna wurde zur ersten Predigerin von Jesus, „pries Gott und sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten“ (Lk 2,38).

Liebe Großeltern und liebe ältere Menschen, folgen wir den Spuren dieser außergewöhnlichen Alten! Werden auch wir ein wenig zu Poeten des Gebetes: Erfreuen wir uns an der Suche nach eigenen Worten und eignen wir uns erneut die vom Wort Gottes vermittelten Elemente an. Das Gebet der Großeltern und älteren Menschen ist ein großes Geschenk für die Kirche! Das Gebet der älteren Menschen und Großeltern ist ein Geschenk für die Kirche, ein Reichtum! Ein großes Maß an zusätzlicher Weisheit für die gesamte Gesellschaft der Menschen; vor allem jene, die zu beschäftigt, zu eingenommen, zu zerstreut sind. Auch für sie muss jemand singen, auch für sie von den Zeichen Gottes singen, die Zeichen Gottes verkündigen, beten! Richten wir unseren Blick auf Benedikt XVI. der sich dazu entschlossen hat, den letzten Abschnitt seines Lebens dem Gebet und dem Hören auf Gott zu widmen! Das ist schön! An dieser Stelle betrachten wir die folgenden Worte Olivier Cléments, eines großen Gläubigen orthodoxer Tradition des vergangenen Jahrhunderts: „Eine Zivilisation, in der nicht mehr gebetet wird, ist eine Zivilisation, in der das Alter keinen Sinn mehr hat. Und das ist schrecklich, wir brauchen vor allem alte Menschen, die beten, weil das Alter uns dafür gegeben ist“. Wir brauchen betende alte Menschen, da uns das Alter gerade dazu gegeben ist. Das Gebet alter Menschen ist von großer Schönheit.

Wir können dem Herrn für die empfangenen Wohltaten danken und die Leere der uns umgebenden Undankbarkeit füllen. Wir können für die Erwartungen der neuen Generationen Fürsprache einlegen und dem Gedächtnis und den Opfern der vergangenen Würde verleihen. Wir können junge und ehrgeizige Menschen daran erinnern, dass in einem Leben ohne Liebe Trockenheit herrscht. Den von Angst erfüllten jungen Menschen können wir sagen, dass die Angst vor der Zukunft überwunden werden kann. Den zu selbstverliebten jungen Menschen können wir sagen, dass Geben glücklicher macht als Nehmen. Die Großväter und Großmütter bilden den ständigen Choral in einem großen geistlichen Heiligtum, in dem das Bittgebet und der Lobgesang die auf dem Feld des Lebens arbeitende und kämpfende Gemeinschaft stützt.

Schließlich reinigt das Gebet ständig das Herz. Der Lob und die Anrufung Gottes bewahren uns vor einer Verhärtung des Herzens durch Groll und Egoismus. Wie hässlich ist der Zynismus eines alten Menschen, der den Sinn für sein Zeugnis verloren hat, die Jungen verachtet und keine Lebensweisheit weitergibt! Schön ist dagegen die Ermutigung, die der alte Mensch einem jungen Menschen vermittelt, der auf der Suche nach dem Sinn des Glaubens und des Lebens ist! Darin besteht die wahre Sendung der Großeltern, die Berufung der älteren Menschen. Die Worte der Großeltern haben für junge Menschen etwas Besonderes. Und dies wissen sie. Die Worte, die mir meine Großmutter am Tag meiner Priesterweihe schriftlich gegeben hat, trage ich immer bei mir, im Brevier, und ich lese sie oft; sie tun mir gut.

Wie sehr wünsche ich mir eine Kirche, die die Wegwerfkultur mit der überfließenden Freude einer neuen Umarmung zwischen jungen und alten Menschen überwindet! Und genau darum bitte ich den Herrn heute, um diese Umarmung!

(nach der Übersetzung von Zenit)

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